Ein offener Brief an die EU-Abgeordneten zur Abstimmung über die EU-Urheberrechtsrichtlinie [1].
Sehr geehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments,
Am 12. September haben Sie die Möglichkeit, darüber abzustimmen, ob das Internet weiter kleinen Firmen und Kreativen offensteht, was die Urheberrechtsrichtlinie in der Fassung von 2016 bewirkt hätte, oder ob es zu einer monopolistischen Zensurmaschine wird, wie es die Fassung vom Mai 2018 bewirken würde.
Ich schreibe Ihnen als Programmierer, weil die Auswirkungen dieser Richtline rein rechtlich nicht zu überblicken sind; das gilt vor allem für Artikel 13. So wenig wie ein Gesetz die Flut stoppen kann, kann es einen Algorithmus schaffen, der alle Urheberrechtsverletzungen schon beim Upload stoppt, aber alle legalen Inhalte erlaubt. Wenn wirklich alle Urheberrechtsverletzungen gestoppt werden müssen, dann müssen gleichzeitig viele legale Äußerungen verhindert werden, und zwar laut der Richtlinie in jeglicher öffentlicher Kommunikation. Das ist allerdings, was die Richtlinie fordert, da sie die Beweislast umkehrt, indem sie von Anbieter von Kommunikationsplattformen verlangt, den Rechteinhabern nachzuweisen, dass sie genug tun (und damit grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien verletzt, nach denen im Zweifel die Unschuldsvermutung gilt). Plattformen — große wie kleine — müssen daher erstmal alles stoppen. Da auch keine Strafen für fälschliche Block-Forderungen vorgesehen sind, wird es sehr einfach, unerwünschte Aussagen zu verhindern, und sei es nur zeitweise.
Ein Youtube-Nachrichten-Autor (LeFloid) hat dazu letztens in einem Interview mit dem NDR berichtet,[1] dass bereits die existierenden Filter in youtube immer wieder Videos von ihm für ein paar Tage blockieren, was bedeutet, dass das Video weniger als ein Zehntel der Zuschauer bekommt, die es sonst haben würde, weil das Thema schon vorbei ist. Er geht so damit um, dass er seine Videos auch auf anderen Plattformen anbietet. Doch mit der Formulierung von Artikel 13 in der Fassung von Mai 2018 müssten alle Plattformen Uploads filtern, und aus Haftbarkeitsgründen müssten sie die Filter großer Anbieter nutzen, die es sich leisten können, zig Millionen in die Entwicklung von Filtertechnik zu investieren (und wie die Erfahrung von LeFloid zeigt trotzdem in vielen Fällen erlaubte Inhalte blocken). Damit könnte er diese Videos nirgendwo mehr zeitnah anbieten.
Ähnlich problematisch sind Artikel 12, Artikel 11 und Artikel 3, doch ich kann Ihnen dazu keine Beispiele schreiben, weil ich morgen um 5:00 aufstehen und zur Arbeit muss.
Daher möchte ich Sie stattdessen bitten, sich die Vorschläge von Greens/EFA und EFDD unvoreingenommen durchzulesen und ihrem Gewissen zu folgen, mit dem Wissen, dass das die Vorschläge sind, die von Leuten mit Fachkenntnis in Programmierung unterstützt werden.
Mit freundliche Grüßen,
Dr. Arne Babenhauserheide
[1] https://www.youtube.com/watch?v=KE5AZDBygNQ
Links:
[1] https://juliareda.eu/2018/09/copyright-showdown/